Fragen an Stella Rollig


SIGRID KURZ Mit welchen Intentionen/Vorstellungen hast du 1994 das Depot gegründet?
STELLA ROLLIG Ein Leitbegriff war: Reflexion. Ein Ort für Kunst und Theorie Produzierende, an dem die eigene Arbeit diskutiert und in ein Verhältnis - theoretisch und praktisch - zu der von anderen gesetzt werden kann, sowohl in lokalen als auch internationalen Beziehungen. Durch Sprechen, Lesen, Schauen und Hören schärfer werden, genauer, anspruchsvoller, klüger. Ein Ort mit Aussenwirkung, an dem die Interessen einer kulturell und politisch engagierten Gruppe deutlich artikuliert werden. Und natürlich ein Ort mit einer gewissen Community-Atmosphäre, an dem man sich gern aufhält.

SK So ein Ort entwickelt eine Art Eigenleben und ist Veränderungen unterworfen. Wie siehst du die Zukunft des Depots und ähnlicher Institutionen?
SR Das Depot hat mehrere Entwicklungsschritte mit verschiedenen Verantwortlichen bzw. MitarbeiterInnen gemacht: räumlich vom kleinen, anfangs fast familiären Ambiente nach zweieinhalb Jahren der Umzug in die derzeitigen großzügigen Räume mit Café, wo sich ein immer zahlreicheres, vielfältigeres Publikum eingefunden hat / inhaltlich durch den zunehmenden Input von Personen, anderen Institutionen und Initiativen, die den Plattformgedanken des Depot aufgegriffen haben und laufend seine Inhalte mitgestalten. Als Zukunft sehe ich eine zunehmende Selbstverständlichkeit, eine weitere Etablierung ohne Verkrustung und Langeweile. Lebendigkeit und Wandlungsfähigkeit bei konsequenter Arbeit. Tatsächlich aber ist diese Zukunft seit dem Regierungswechsel völlig ungewiss. Da keinerlei weitere Subventionierungsabsichten vom Geldgeber BKA geäussert sind, ist die Zukunft derzeit nur bis Ende Oktober 2000 absehbar. In vergleichbarer Lage befinden sich zahlreiche ähnliche Initiativen und Institutionen (Public Netbase, basis Wien, MICA, Literaturhaus, etc.)

SK Wie würdest du deine Arbeit beschreiben?
SR Eine Form kultureller Produktion, die als Mischung aus Schauen, Lesen, Denken, Formulieren, Kommunizieren und Organisieren stattfindet. Es ist ähnlich wie beim Kochen: Man geht von den besten vorhandenen Produkten aus, entscheidet, was man mag und womit man sich befassen will, und macht etwas Neues daraus, das man mit anderen teilt.

SK Wann wird Kunst für dich sehr anziehend und relevant?
SR Wenn ich sie nicht sofort durchschaue. Wenn sie sich mehr darum bemüht, etwas zu verstehen als etwas zu erklären. Wenn sie sich nicht mit überlieferten Wiedererkennungseffekten als Kunst deklariert. Wenn sie unabhängig gedacht ist, wenn sie etwas anderes formuliert als der Mediensermon, wenn sie elegant ist und melancholisch, wenn sie von bestehenden Verhältnissen spricht und oder aber von Vergänglichkeit.


Juli 2000
(erschienen in ISSUES 10)

STELLA ROLLIG, Autorin, Kunstkritikerin und Kuratorin, Wien


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